extract / Herwig Steiner (1956L), Kunst der Attrappe, 2019  |  05

Beyond the scales of capitalism, all value determinations experience decline and deletion. Many are affected by this in what can be described as a religious sense. The transformation extends to the last reserves.
The spectacle of the market, foreign to the essence of art, is pressed upon it as external social validation, forcing its true nature into the background.
The connection between supply and demand is known to say nothing about the properties of an object, (in this context, it is only a commodity).
This relationship covers more than the real world. As everyone knows, it has long created a fictional space of hazard. The cult of the interchangeable, of added value, has taken root.
The term “art” has degenerated into a brand. It serves as an object of status and speculation, regardless of the actual quality of the work in detail. That is why in many sites of art there are also decorative pieces of high commodity value that do not satisfy the internal laws of art.

The non-satisfying or fracturing of social forms, the weapon of shock that has meanwhile become blunt, is seen in certain by now widely stretched perimeters as meeting the expectation according to which, like a carnival privilege, art is traditionally assigned a proxy, proband, or venting function. There, the critical reveals itself as an advanced décor in protected realms, where no truly threatening potential can develop vis-à-vis social power relations. It merely serves established elites for the depiction of their “claims to progressiveness.” The accusation is made of a stabilizing political effect, and thereby one that is quite the opposite of what it intended to achieve. Even the days when ideologues taught art and tried to instrumentalize it appear to be over.
Criticism is simply integrated into the commodity and entertainment system as a further sector.

Parts of the anti-art tradition within the history of modernity professed they wanted to burst open the art market. The opposite was the case.
The market integrated all aspirations, no matter the direction, and determined their status. The free market does not, at all, mean freedom for art. Cloaked in useability, it became controllable {5}. (A refrain that is too rarely heard). Aren’t all socio-critical approaches faced with the pessimistic summary that there are no alternatives to the capitalist demand of subordinating oneself to the conditions and expectations of the audience?

Thus, radical economization exemplifies the worthlessness of everything outside of its valuation and commonplace accessibility thereby presents itself as a form of dominance.
Its professed permissive tolerance, its understanding of the marketing calculation of the scandal, ends abruptly with the questioning of its values. On the other hand, neither the political in art, nor the aestheticizing of politics that considers itself “democratic” can conceal the traces of their powerlessness and capital dependence.

Who would overstate the role of the beholder?
Who would still accept our myth, the general superelevation of the popular? A hierarchical relationship of acknowledgement between external assignment and self-judgement: is this justifiable?

English interpretation / Charlotte Eckler / Lisa Rosenblatt / Herwig Steiner (1956L) / 2021

Außerhalb kapitalistischer Skalen erfahren alle Wertbestimmungen Abstieg und Löschung. Viele sind davon in einem als religiös zu bezeichnenden Sinne ergriffen. Die Umformung reicht bis in letzte Reservate. Dieses der Kunst Wesensfremde, die Spektakel des Marktes, wird als gesellschaftliche Bewertung von außen ihr aufgepresst, drängt ihr Eigentliches in den Hintergrund.

Der Konnex von Nachfrage und Angebot sagt bekanntermaßen nichts über Eigenschaften eines Objekts, (es ist in diesem Zusammenhang nur Ware). Dieses Verhältnis überzieht nicht nur die reale Welt. Längst hat es, wie alle wissen, einen fiktionalen Raum des Hasard erschaffen. Der Kult des Austauschbaren, des Mehrwerts ist eingewurzelt. Der Begriff „Kunst“ ist zur Marke verkommen. Sie dient, ungeachtet tatsächlicher Beschaffenheit der Werke im einzelnen, als Status- und Spekulationsobjekt. Deshalb befinden sich an vielen Orten der Kunst auch Dekorstücke von hohem Warenwert, die inneren Gesetzen der Kunst nicht genügen.

Das Nichterfüllen oder Brechen gesellschaftlicher Formen, die mittlerweile stumpf gewordene Waffe des Schocks, gilt, in bestimmten, nunmehr weit gedehnten Grenzen, als der Erwartung zu entsprechen, wonach traditionell, gleich einem karnevalistischen Privileg, der Kunst eine Stellvertreter -, Probanden – oder Ventilfunktion zugewiesen wird. Dort enthüllt sich das Kritische selbst als avanciertes Dekor in geschützten Bereichen, wo kein wirklich bedrohliches Potential sich gegenüber den gesellschaftlichen Machtverhältnissen entwickeln kann. Es dient etablierten Eliten lediglich zur Darstellung ihres „fortschrittlichen Anspruchs“. Der Vorwurf, der stabilisierenden, einer damit eher das Gegenteil ihrer Intention zu erreichenden politischen Wirkung steht im Raum. Selbst die Zeit, da Ideologen Kunst dozierten, sie zu instrumentieren versuchten, scheint vorüber. Kritik wird einfach als weitere Sparte ins Waren- und Unterhaltungssystem eingegliedert.

Teile der Antikunsttradition innerhalb der Geschichte der Moderne gaben vor, den Kunstmarkt sprengen zu wollen. Das Gegenteil war der Fall. Er integrierte alle Bestrebungen, gleich welcher Richtung, und er bestimmte deren Rang. Der freie Markt bedeutet für Kunst keine Freiheit. Brauchbarkeit {5} ihr übergezogen, wurde sie beherrschbar {5}. (Ein zu selten gehörter Refrain). Sehen sich nicht alle gesellschaftskritischen Ansätze einem pessimistischen Resümee gegenüber, dass keine Alternativen zur kapitalistischen Forderung bestehen, sich den Bedingungen und Erwartungen des Publikums unterzuordnen?

Damit führt beispielhaft die radikale Ökonomisierung die Wertlosigkeit von allem, jenseits ihrer Wertung, und banale Verfügbarkeit vor und stellt so sich selbst als Herrschaftsform dar.
Ihre zur Schau getragene permissive Toleranz, ihr Verständnis für die Marketingrechnung des Skandals endet abrupt an der Infragestellung ihrer Wertfassungen. Demgegenüber gelingt es beiden nicht, weder dem Politischen {6} in der Kunst, noch den Ästhetisierungen, sich selbst „demokratisch“ nennender Politik, die Spuren ihrer Machtlosigkeit und Kapitalabhängigkeit zu verbergen.

Wer würde die Rolle der Betrachter überbewerten? Wer so noch unserem Mythos, der allgemeinen Überhöhung des Populären zustimmen? Ein hierarchisches Verhältnis der Anerkenntnis zwischen Fremdzuweisungen und Selbsturteil? Wäre dies zu begründen?

bearbeiteter Ausschnitt / Kunst der Attrappe / (1985-2017 © Herwig Steiner 1956L)

@