extract / Herwig Steiner (1956L), Kunst der Attrappe, 2019  |  03 Dogma

“To each era its art […],” the dogma of modernity as written above the entrance to the Vienna Secession, is obsolete. The word game is random, irrelevant. After all, it is the “contemporary accelerations,” the “incalculable surge in knowledge production as well as the associated, growing view of unexplored realms,” which compel “a social attitude of constant deferral, thoughts of permanent revision.” The “speeds at which socially formed knowledge comes and goes” show “how brittle this fundament of modernity” truly is.
Consciously working with content that is familiar to the public,” would then be nothing other than time-derived thinking, its horizon always already structurally outdated and decayed, an installation of backdrops of [societal] self-portrayal. The motif of the avant-garde [in the fine arts, turns out to be] romantic. This historiographic wide-angle opens up a grand narrative of deletion, looks beyond the current capitalist narration and decomposes the founding conditions of the fine arts.
Their representative levels have been failing for quite some time, as they seem to lose time and opportunity for communication.

Persuasive posturing harbors nothing useful for those who already behold the transience of social standards, see their status as power-relevant, while the hubris still freshly scatters its promises over us.
Certainty and the pre-functional faith of a child have been lost.
It also does not escape this air of ultimate ludicrousness found in every gesture of wanting to impress, no matter how minimal, veiled in a sign.
No wonder that the object of self-representation is handled using the crescendo forms of the joke. But the various versions of self-irony can no longer wipe away their intentional traces and, despite some brilliant ideas, have to surrender to the punchline.

From this perspective, art can no longer create its traditional structure of promise, this appeal for recognition has now lost its credibility.

Rather than a new, persuasive strategy that would meet the expectations of leaving any outcomes up to chance, it is now imperative to negate and erase the promises. Even if it seems confusing at first, it is not the aspiration to find and edit the “right reference material” because then the belief in its validity and availability would immediately come into play. Instead, it is about the difficult undertaking of excluding this belief within the artistic process. This is no simple undertaking; it requires far more than direct attempts at negation of the pre-formational horizon. Art has a difficult task in explaining its own structural problems and expressing this within it, according to its style.

English interpretation / Charlotte Eckler / Lisa Rosenblatt / Herwig Steiner (1956L) / 2021

„Der Zeit ihre Kunst…, das Dogma der Moderne, wie es über dem Eingang der Wiener Secession geschrieben steht“, ist obsolet. Zufällig, unwichtig das Wortspiel. Denn es sind die „gegenwärtigen Beschleunigungen“, der „unüberschaubar gewordene Anstieg der Wissensproduktion wie die damit verbundene anwachsende Sicht auf unerforschte Bereiche“, die „eine gesellschaftliche Haltung dauernden Aufschubs, Gedanken permanenter Revision“ erzwingen. Die „Geschwindigkeiten im Werden und Vergehen von gesellschaftlich geformtem Wissen“, zeigen, „wie brüchig dieses Fundament der Moderne“ eigentlich ist.
„Bewusstes Arbeiten mit Inhalten, die dem Publikum vertraut sind,“ wäre dann nichts anderes als zeitabgeleitetes Denken, sein Horizont strukturell immer schon veraltet und verfallen, ein Aufstellen von Kulissen der [gesellschaftlichen] Selbstdarstellung. Das Motiv der Avantgarde [in der bildenden Kunst entpuppt sich als ein] romantisches.
Dieser historiographische Weitwinkel öffnet eine große Löschungserzählung, blickt über die gegenwärtige kapitalistische Narration hinaus, zersetzt Gründungsbedingungen Bildender Kunst.
Deren darstellende Ebenen scheitern seit langem, scheint ihnen doch Zeit und Ansatzmöglichkeiten abhanden zu kommen, sich mitteilend einzurichten.

Nichts Brauchbares ist im persuasiven Gehabe für jene zu entdecken, die gesellschaftlichen Wertmaßstäben ihre Vergänglichkeit schon ansehen, ihren für Macht relevanten Status, während die Anmaßung noch frisch ihre Versprechungen über uns verstreut.
Gewissheit und vorfunktionaler Kinderglaube sind abhanden gekommen.
Jenen entgeht auch nicht dieser Hauch an letztlich Lächerlichem, der in jeder Geste des Beeindruckenwollens, sei sie noch so reduziert, im Zeichen verhüllt, steckt. Kein Wunder, dass am Gegenstand der Selbstdarstellung mit Steigerungsformen des Witzes hantiert wird. Doch die Varianten der Selbstironie können ihre absichtsvollen Spuren nicht mehr verwischen und müssen sich, ungeachtet manch brillanter Ideen, der Pointe ausliefern.

Von diesem Blickwinkel aus kann Kunst nicht mehr ihre traditionelle Verheißungsstruktur erschaffen, dieses auf Anerkenntnis Appellierende hat nun seine Glaubwürdigkeit verloren.

Anstatt einer neuen, persuasiven Strategie, die entspräche den Erwartungen, sich überraschen zu lassen, erweist es sich nun als zwingend, die Verheißungen zu negieren und zu löschen. Auch wenn es zunächst irritierend erscheint, ist es nicht die Bestrebung, das „richtige Bezugsmaterial“ zu finden und zu bearbeiten, denn dann wäre sofort der Glaube an dessen Gültigkeit und Verfügbarkeit im Spiel. Vielmehr geht es um das schwierige Unterfangen der Ausschließung dieses Glaubens innerhalb der künstlerischen Prozesse. Dies nun ist kein einfaches Unternehmen, bedarf weit mehr als direkte Negationsversuche des präformatorischen Horizonts. Es ist diffizile Aufgabe der Kunst, ihre strukturellen Probleme selbst zu klären und dies in ihr gemäßer Art auszudrücken.

bearbeiteter Ausschnitt / Kunst der Attrappe / (1985-2017 © Herwig Steiner 1956L)

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